Eine Fahrt auf dem Canal du Midi – auf den Spuren von Pierre Paul Riquet
Am 26. August 2021 fuhren wir in Richtung Frankreich. Wir – das sind Eduardo, Dietmar, Harald und Raphael. Unser Ziel: Der Bootshafen Le Somail in Südfrankreich – Ausgangshafen für eine 2-wöchige Fahrt mit einem gemieteten Hausboot der Firma Nicols, vermittelt durch die Firma „Ferien auf dem Wasser“.
Die Vorbereitungen waren umfangreich gewesen: Routenplanung, Verpflegung, Hin- und Rückfahrt – wir wollten so gut gerüstet sein, dass wir die Zeit in vollen Zügen würden geniessen können.
Prompt lernten wir dann, dass es so etwas wie „Murphy’s Law“ gibt: Nach sehr angenehmer Fahrt bis zu unserem Übernachtungsort Civrieux, nahe Lyon auf dem Land – dachten wir, dass der zweite Reisetag ebenso glatt verlaufen würde. Denkste – kurz vor Narbonne – also knapp vor dem Ziel – hatte sich ein LKW „in den Kopf gesetzt“, auszubrennen. Das bedeutete 3 1/2 Stunden Warten auf der Autobahn. Toll – der Bootsverleih schließt seine Tore um 18:00 Uhr ….
Die Franzosen warteten netterweise auf uns, gaben uns noch am Abend die Einweisung, so dass wir müde, aber froh und unversehrt in den Ort gingen, um noch eine Kleinigkeit zu essen. Die ansässigen “Nobellokale“ hatten andere Vorstellungen – ein sehr liebens-wertes junges Paar in einer Tappas-Bar jedoch servierte uns dann aber köstliche Tapenade, Käse und Salami – hier waren wir natürlich nicht zum zum letzten Mal! In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass die Besitzerin des kleinen Hotels nahe Lyon uns am Abend noch in ein nahegelegenes Restaurant fuhr – und uns auch noch abholte – vive La France!
Am nächsten Tag schliefen wir erst mal aus, dann wurden der „Borddienst “ abgestimmt und die Rollen verteilt – wer kocht, spült, kehrt aus etc. – ach ja fahren wollten wir ja auch. Und wir fuhren – allerdings mit dem Auto nach Carcassonne – einer wunderschönen alten Stadt weiter westlich.
Im 13. Jahrhundert gehörte Carcassonne zu den Hauptstützpunkten der Katharer. Die “Cité de Carcassonne“ gehört seit 1997 zum Weltkulturerbe. Die mittelalterliche Festungsanlage ist von ihrer Größe und ihrem Erhaltungszustand her einzigartig in Europa. Die noch bewohnte Cité wird von einem doppelten Mauerring umschlossen. Hauptgebäude im Innern sind eine Burg (Château Comtal) und eine Kirche (Basilique Saint-Nazaire). Man kann bequem und mit toller Sicht auch mit dem „petit train blanc“ in die Cité hinauf fahren.
Zu Mittag gab es dann eine typisch örtliche Spezialität – Cassoulette – ein recht kalorienreiches und sehr schmackhaftes Gemisch aus Schwein-, Enten-, und Hühnerfleisch mit weissen Bohnen. Ca. 1000 Kcal …. was soll’s – wir haben Urlaub!
Am Sonntag ging es dann mit dem Boot los. Unser Ziel war Béziers, eine Stadt mit 40.000 Einwohnern in östlicher Richtung. Um in den Hafen zu gelangen, muss vorher noch eine 7-stufige Schleusentreppe sowie eine weitere 6 Meter hohe Schleuse „gepackt“ werden – für Anfänger eine Herausforderung. Béziers liegt eben 20 Meter tiefer als der Kanal. Das ist an einem Tag nur unter besten Bedingungen für Erfahrene zu schaffen, so dass wir vorher in Capestang ankerten und übernachteten. Kurz vor Béziers fährt man dann mit dem Boot über eine Bücke, die über den Fluss Orb führt. Der Hafen ist großzügig, mit guten Anlegebedingungen. Wir blieben insgesamt drei Tage in Beziers, bei Hin- und Rückfahrt. Die Altsstadt ist sehr schön, es gibt aber auch ein supermodernes Einkaufszentrum – das „Polygone“ mit Grünanlagen im Zentrum und 10 Restaurants auf dem Dachgeschoss.
In der Nähe gab es für durstige Kehlen eine kleine Privatbrauerei – „La Gorge Fraîche“ – ein netter Name und gutes Bier. Hier einige Eindrücke der Schleusenfahrt und der Stadt.
Zwei Mitarbeiter der „Capitainerie“ – eine junge Dame und ein Herr – halfen übrigens ein wenig beim Anlegen. Wir gaben ihnen eine Flasche guten Weißweins zum Dank. Am nächsten Morgen berichtete die junge Dame begeistert, dass ein Glas Wein ihr geholfen habe, ihre Kopfschmerzen zu besiegen – wer weiß, ob es nur eines war? Vive le vin Allemand!
Von Béziers fuhren wir noch einen Tag weiter Richtung Mittelmeer, bis auf die Höhe von Vias. Da der Hafen von Cassafières belegt war mit Booten der Firma „Le Boat“, legten wir weiter östlich an – wir waren dann in der Nacht die Einzigen dort. Heilige Ruhe!
Dietmar und Raphael gingen übrigens noch den knappen Kilomerter bis zum Mittelmeer.
Dann ging es auch schon zurück zum Ausgangshafen. Wir machten dann noch ein Mal Halt in Poilhes. Am Ufer des Kanals sind 2 alte englische Kanonen ausgestellt. Sie wurden in den 70er Jahren in der Nähe von Agde aus dem Wasser geborgen. In Poilhes haben Archäologen auch zahlreiche antike Funde gemacht. Der Ort liegt nämlich nahe am Hügel von Ensérune mit seinem berühmten Oppidum. Und ganz in der Nähe haben die Römer, als sie den Süden Galliens eroberten, die berühmte Via Domitia erbaut. All diese Elemente machen Poilhes zu einem zweitausendjährigen Ort.
Den Abend verbrachten wir dann in einer Vinothek, die von einer Niederländerin geleitet wurde. Es gab köstliche Muscheln und Salat und Käse und … an Bord dann noch einen „Absacker“ …
Am nächsten Tag dann zurück nach Le Somail – so schnell geht die Zeit. Dietmar und Raphael entschieden, noch am Samstag abends nach Freiburg zurüchzufahren, da für beide am Montag der „Ernst“ des Lebens wieder begann. Jetzt waren Eduardo und Harald auf dem großen Boot alleine. Wir beschlossen, keine Schleusen mehr zu befahren, sondern die restlichen Tage in Entspannung zu genießen. So wie z.B. diese Familie in einem nur geringfügig kleineren Boot … oder wir am Abend an Bord …
Sonntag hatten wir dann einen fahrfreien Tag. Zum einen sind dann Ausflugsboote auf dem Kanal unterwegs, denen man Vorfahrt lassen muss – das macht keinen Spaß.
Zum anderen hatten wir von Heino Göbel, dem überaus netten und hilfsbereiten Mitarbeiter von Nicols, einen heißen Tipp bekommen: Minerve, eine in eine Felsschlucht gebaute Stadt im Norden, ca. 40 km entfernt. Hier gibt es auch einen Hinweis auf den Templer-Orden. Ein ganz entzückendes Städtchen, in dem wir u.a. auch einen tollen 2018er Marssellan für sage und schreibe 4,90.- EURO erstanden! Siehe auch Fotos vorige Seite, untere Reihe.
Ja – und dann waren plötzlich noch 2 Tage geblieben. Einen davon verbrachten wir in Paraza, dem Ort, in dem J.P. Riquet (Bild re. unten) während des Kanal-Baues lebte. Und zwar lebte er in einem Schloss – wie es sich für ein Genie eben gehört! Wir stiegen nach dem Anlegen in einem ganz neuen Hafen zum Schloss hoch. Dort gibt es eine Weinkellerei, deren Weine wir probieren und danach noch im Freien unter Pinien ein Mittagessen geniessen konnten.
In der Nacht vor der Rückfahrt nach Le Somail gab es dann noch ein typisch südländisches Gewitter – hallo – da wackelt das Boot, wenn der Blitz nahe genug einschlägt! Unversehrt erreichten wir jedoch den Heimathafen am Mittag. Dann hieß es packen, Boot vorbereiten für die Übergabe und vielleicht – hoffentlich – noch einen schönen Abschiedsabend verbringen. Zunächst waren wir jedoch „geschafft“ – dann aber gingen wir doch noch einmal in die Tappas-Bar zu dem netten Paar. Sie hatten uns gesagt, dass es am Abend Musik gäbe. Unter diesem Begriff kann man sich bekanntlich einiges vorstellen – aber das , was dann kam, war einzig. Ein junger Mann aus Narbonne sang zu seiner Gitarre schöne, stimmungsvolle französische Chansons – vor Einheimischen – und wir hatten die Freude, dabeizusein, wie die Menschen fröhlich und unbeschwert den Gesang, den milden Abend, den Wein und, und, und genossen, ohne dass man nur ein einziges Mal das Un-Wort des Jahres hörte … Corona. Vive la France!
Noch etwas ist zu erwähnen: Die Neptun-Taufe. Der Brauch hat seinen Ursprung in der Zeit der Entdeckungsreisen der Portugiesen: Der oder die Täuflinge wurden von Neptun gereinigt, erhielten einen Scherznamen und eine Urkunde. Seinerzeit erfolgte die Taufe beim Überqueren des Äquators – das war uns natürlich nicht vergönnt – aber immerhin hatten wir einen Teil des weltberühmten Canal du Midi befahren! Dietmar erhielt den Scherznamen „Stachelrochen“und Raphael war der „Zackenbarsch“. Beide hatten sichtlich Spaß bei der Zerimonie. Leider hatten Neptun – Eduardo – und sein Gehilfe – Harald – nicht die Chance, ihre lachenden Gesichter zu fotografieren! Aber irgendwie hatte Neptun wohl einen geheimen Draht zu Göttervater Zeus – er wurde abgelichtet!
Ein klassischerText für die Taufe könnte zum Beispiel so lauten – aber auch der individuellen Phantasie sind keine Grenzen gesetzt:
„Ich – der große Neptun, Beherrscher alle Meer, Ozeane, Flüsse, Bäche, Rinnsale, Seen, Teiche, Tümpel und Pfützen, Regent über alle Fische, Seepferde, Algen, Walrosse, Frösche und Nixen gestatte nur solchen armen Menschenwürmern das Zerkratzen der blanken Wasseroberfläche mit Segelbootschwertern (Riemen, Skulls, Rudern, Paddeln), die meine wasserheilige Taufe erhalten haben. Alle anderen sollen Waschbecken-, allerhöchstens Badewannenmatrosen bleiben. Der tobende Sturm soll ihnen Respekt vor meiner Macht auf ewig einflössen!“
Die Rückfahrt gestaltete sich unproblematisch, sofern man von einer 1-stündigen Geisterfahrt um Lyon herum absieht. Das ist aber schon fast die Regel, sofern man kein Navi hat. Dann noch am zweiten Tag ein schöner, ungewollter Umweg – der Fahrer wollte halt noch etwas in Frankreich bleiben …
Adieu, Canal du Midi – Danke für ein wundervolles Erlebnis!
Anmerkungen: Weitere Gebiete mit dem Hausboot in Frankreich – wenn Sie eine kurze Anfahrt bevorzugen, fahren Sie mit dem Boot im Elsass, hier bieten wir viele verschiedene Starthäfen an. Aber auch die Loire-Nivernais im Burgund oder der Fluss Saone sind zu empfehlen. Wann mieten Sie ein Hausboot?