Eine Woche mit dem Hausboot auf der Charente im Juni
Udo Jürgens‘ Gassenhauer kennen vermutlich alle: „Mit 66 Jahren u.s.w. …….….“. Das entsprach exakt dem Durchschnittsalter der 3-Mann Crew, die „einmal Frankreich gemacht haben“ wollte: Auf der Charente in der Charente. — Wo???? Auf einem der schönsten Flüsse Frankreichs – so an verschiedenen Stellen in der Literatur nachzulesen.
Die 1.250 km lange Anfahrt teilten wir auf in 1.000 km, verbunden mit zwei nicht zufälligen Nächten in Amboise, und 250 km für den verbleibenden Abschnitt bis Jarnac. Amboise ist mit seinem Schloss oberhalb der Loire, seiner Innenstadt und dem Clos Lucé (letzter Wohnsitz Leonardo da Vincis) bereits sehr sehenswert. Das Highlight aber in Steinwurfnähe: Schloss Chenonceau, das wohl eindrucksvollste aller Schlösser im Tal der Loire. Viel Kultur als Einleitung.
Dann wurde es kultig. Weiter ging’s ins Département Charente (geschützte Herkunftsregion des Cognacs und des Pineau des Charentes) zur Übergabestation von LeBoat nach Jarnac. Normale Übergabe ab 14.00 Uhr, gegen einen nicht unerheblichen Preisaufschlag auch für 12.00 Uhr buchbar. Gemacht! Wohl wissend, dass zu der Zeit in Frankreich Mittag ist. Es trat ein, was fast vorherzusehen war: 12.00 Uhr, Büro geschlossen! Irgendwann weit nach 14.00 Uhr erfolgte auch die Übergabe, wahlweise in Französisch oder Englisch. Die gebuchte Bootsklasse stand nicht zur Verfügung – weil noch nicht fertig. Der Erhaltungszustand des gelieferten Schiffes könnte mit „kleinen Defiziten“ umschrieben werden? Interessant für Jetten-Yacht gewohnte Bootsfahrer, wieviele „Handgriffe“ beim Wechsel vom Außen- zum Innenfahrstand bei dem „alten Klepper“ notwendig waren.
Ärgern bringt nichts, darum Leinen los. Cognac war das erklärte Tagesziel. Vorbei am schönen Schloss von Saint Brice und nach einigen sportlichen Kurbelrunden (sämtliche Schleusen auf der Charente funktionieren ausschließlich manuell) erreichten wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Welthauptstadt der Cognac-Herstellung. Der Yachthafen war komplett belegt, wir fanden einen gleichwertigen Liegeplatz an der Kaimauer (Stromsäule vorhanden). Das Abendessen wurde im günstig gelegenen L‘Atelier des Quais mit direktem Blick auf die vorbeifließende Charente eingenommen. Trotz bevorzugter Touristenlage: Qualität und Preis waren in Ordnung.
Auf dem Wege nach Saintes schlängelt sich die Charente gemächlich durch die häufig baumbestandene Flusslandschaft, sehr schön der Bereich um die ehemalige Mühle von Baine mit benachbarter Schleuse. Nicht so schön und reichlich feucht: Pünktlich zur Schleusung wurden andere Schleusen für „die Crew an der Kurbel“ geöffnet. In Saintes hatten wir das Glück einen zentralen Liegeplatz am Stadtpark und gegenüber der Kathedrale zu bekommen. Nach einem ausgedehnten Rundgang durch den Ort (römischer Triumphbogen und diverse Kirchen) war Fußball-EM angesagt.
Den dritten Tag ging es weiter flussabwärts bis zum vorbestimmten Umkehrpunkt Port d’Envaux. Da es wieder schüttete, verzichteten wir auf die Stadtbesichtigung und kehrten nach Saintes zurück. Am Stadtanleger war nichts frei; für uns und einer Familie aus La Réunion blieben Liegeplätze am Ortsrand (ohne Bordversorgung). Als kleine Entschädigung für den Tagesverlauf fanden wir mit Hilfe des roten Michelin ein lobenswertes Restaurant, das Clos de Cours im Zentrum des Ortes.
Tag 4: Von Saintes nach Cognac. Bekannte Strecke, neue Situation. Irgendwo und irgendwann waren wir manövrierunfähig, trieben mit viel Glück „direkt in die Büsche“. Von unschätzbarem Vorteil, wenn jemand mit technischem Sachverstand an Bord ist.
„Du kannst anrufen, der Keilriemen ist gerissen!“ — Klar, die erste Vokabel, die ich vor über 50 Jahren gelernt hatte, war Keilriemen. Ok, courroie ist seither gespeichert.
Mit GPS-Unterstützung konnte der Zentrale von LeBoat der Havarieort präzise beschrieben werden. Während wir auf den Mechaniker warteten, regnete es erneut in Strömen. Für das satte Grün der den Fluss begrenzenden Bäume gab es eine einfache Erklärung. Der Monteur erschien nach rund einer Stunde und erledigte seinen Job. Dennoch entfiel in Cognac die Besichtigung einer Destillerie. Es blieb beim Rundgang durch die Innenstadt.
Für den fünften Tag hatten wir uns viel vorgenommen. Der Wettergott hatte endlich ein Einsehen. Vorbei an Bourg-Charente und quer durch Jarnac passierten wir danach einige Schleusen in malerischer Umgebung. Endstation des Tages war der großzügige Stadtanleger in Saint-Simon – mit Stromversorgung. Zumindest gab es einige Stromsäulen, die auch allesamt unsere Kreditkarten mochten, nur Strom floss nicht. C’est la vie! Die romanische Kirche verdiente einen Besuch, nicht so das einzige Restaurant im Ort. Im 5 km entfernten Bassac fühlten wir uns im Hotel-Restaurant L’Essille in jeder Hinsicht bestens aufgehoben. Der Patron persönlich holte uns in Saint-Simon ab, sein Sohn brachte uns kostenfrei wieder zurück und dazwischen speisten wir exzellent. Da durfte selbstverständlich ein Pineau vorweg und ein Cognac zum krönenden Abschluss nicht fehlen. Ein toller Abend!!
Die Flussszenerie beeindruckte mehr und mehr. Es war also doch etwas dran: „Einer der schönsten Flüsse des Landes“. Auch wenn die Schleusungen einiges an körperlicher Fitness einforderten, es machte einfach Spaß. So schipperten wir bis zum Umkehrpunkt unseres Törns nach Saint-Simeux, stiefelten in den Ort hoch, genossen das wunderschöne Panorama und durften feststellen, es gab wirklich keine Gastronomie im Ort. Google hatte recht! Die kräftigen Regenfälle der vergangenen Tage blieben nicht ohne Folgen. Mit Unterstützung einer beachtlich hohen Strömungsgeschwindigkeit ging es wieder flussabwärts nach Châteauneuf-sur-Charente. Der Ort entpuppte sich als eine einzige abendliche Enttäuschung. 3500 Einwohner konnten doch nicht um 19.00 Uhr im Bett sein? Für Abwechslung sorgte ein Charterboot, das nur mit vielfacher Muskelkraft davor bewahrt werden konnte in eine Fußgängerbrücke zu krachen. Da hatte offensichtlich ein Hobbykapitän die Kraft der Fließgeschwindigkeit unterschätzt.
Der letzte Chartertag begann mit sehr guten Croissants, forderte die Crew noch mehrere Male beim Schleusen, endete im Geburtsort Francois Mitterands in Jarnac mit einem Stadtrundgang, dem Kauf des liebgewonnenen Pineau des Charentes und einem vorzüglichen Essen im Restaurant du Château. Das war wie eine Einladung zum Wiederkommen. — Ungeklärt bis heute, ob der Pineau-des-Charentes ungekühlt oder eiskalt zu trinken ist. Das möge jeder selbst für sich entscheiden; denn auch die Franzosen sind sich nicht einig.
Fazit:
Für dermaßen kühles wie regnerisches Wetter Mitte Juni kann keiner etwas. Lohnenswert ist ein Törn auf der Charente allemal!! Das Wechselspiel zwischen Urbanität und Abgeschiedenheit garantiert allen Geschmäckern eine äußerst abwechslungsreiche Woche. Nach den heftigen Regenfällen vor und während der Tour dürfte die Strömungsgeschwindigkeit der Charente deutlich gegenüber normal zugenommen haben. Angesichts der schwachen Motorisierung der meisten französischen „Plastikboote“ war die Charente in dieser Zeit sicher nicht als „einfach zu befahren“ einzuordnen. So meine persönliche Beurteilung – insbesondere nach dem Vorfall von Châteauneuf-sur-Charente.
Hinweise: Weitere Gebiete für Hausbootferien in Frankreich sind ebenfalls sehr zu empfehlen: Kunden, die eine kurze Anfahrt bevorzugen, fahren mit dem Hausboot im Elsass auf dem Rhein-Marne-Kanal, eine Wettergarantie hat man in Südfrankreich, wenn man mit dem Boot den Canal du Midi entdeckt oder die Camargue entlang des Mittelmeers – egal für welches Reiseziel Sie sich entscheiden, ein Bootsurlaub bleibt immer unvergesslich!